Verkehrswende

Von echter Veränderung in Herne keine Spur

Eine Verkehrswende wird ständig gefordert. Mal ist es der Klimaschutz, der sie erfordert, mal soll sie zu mehr Urbanität durch Rückbau von Verkehrsflächen führen. Doch wie ist die Situation in Herne und was müsste für eine echte Verkehrswende passieren? 

 

Mehr Autoverkehr als im Bundesdurchschnitt

Die Bestandsaufnahme des Masterplans „Klimafreundliche Mobilität“ zeigt, dass die umweltfreundlichen Verkehre in Herne deutlich geringer sind als im Bundesdurchschnitt. Dafür wird mehr Auto gefahren. So liegt der Anteil des Kfz-Verkehrs gut 10% höher; selbst auf kürzesten Wegen bis 1 km liegt der Kfz-Anteil bei stattlichen 20%!

Das sollte sich unbedingt ändern, so die Bewertung von Verwaltung und Politik. Mit einer Reihe von Maßnahmen sollen die umweltfreundlichen Verkehre bis 2030 auf den heutigen Bundesdurchschnitt gebracht werden – nicht gerade ein ehrgeiziges Ziel. 

 

Koalition von SPD und CDU will keine überprüfbaren Zielvorgaben

Doch selbst dieses Ziel wird Herne nicht erreichen, denn seit der Vorlage des Masterplans im April 2017 ist wenig geschehen. Im Februar 2019 (!) wurde dann ein Gesamtkonzept Mobilität für Herne vorgelegt. Den Herner Grünen war dieses Konzept nicht konkret genug. Wir haben einen Änderungsantrag in die politischen Gremien eingebracht, der verbindliche Reduktionsziele festlegen sollte.

Unsere Forderung: „Ziel der integrierten Gesamtstrategie ist eine umweltfreundlichere Verkehrsmittelwahl. Bis 2025 soll der Anteil des motorisierten Individualverkehrs 50 % (aktuell 60,4 %), des ÖPNV 15 % (aktuell 12,8 %), des Radverkehrs 15 % (aktuell 10,4 %), der FußgängerInnen 20 % (aktuell 18,8 %) betragen.“ Damit sind wir gescheitert!

Die Mehrheit von SPD und CDU wollte keine Zielvorgaben, die überprüfbar wären. Weiterhin soll nur das ein Erfolg sein, was sich gerade so einstellt. Auch jetzt wird wieder von weiteren unabdingbar notwendigen Arbeitsschritten geredet, die in einer neuen Arbeitsgruppe mit der in Herne üblichen sozialistischen Genauigkeit und vor allem Langsamkeit vorbereitet werden sollen. 

 

Verzögerungstaktik von SPD und CDU

Tatsächlich geht es hier um die Fortführung der Verzögerungstaktik. Es soll nichts konkret beschlossen werden. Man glaubt im Rathaus und in der SPD und der CDU nicht daran, dass eine Verkehrswende von der Bevölkerung honoriert wird.

Wie die Wirklichkeit aussieht, konnte man in den letzten Monaten nachlesen: Taktausdünnung der Straßenbahnlinie 306 nach Bochum, den Radweg auf der Bochumer Straße beseitigen und die Straße wieder 4-spurig anlegen (eine Forderung der CDU), den Kreisverkehr an der Hordeler Straße öffnen, damit der Autoverkehr besser nach Bochum fließen kann. Das sind die konkreten Vorschläge von SPD und CDU zur Verkehrswende in Herne.

Auch der Umbau der Edmund-Weber-Straße mit einem Radweg wird nicht gewünscht, weil die große Koalition im Rat nicht bereit ist, für die Radwegeförderung mehr Parkplätze zu opfern. Man will ‚die nächsten Jahre abwarten‘ wie sich das Mobilitätsverhalten verändert. Ziemlich dreist, wenn man wenig für ein verändertes Mobilitätsverhalten umsetzt.

 

Das Beispiel Sodinger Straße

Auf einer Fachtagung zur Mobilität im September 2019 wurde die Verkehrswende einmal für ein Teilstücks der Sodinger Straße zwischen der Kreuzung Wiescherstraße und der Bochumer Straße durchgespielt. Die Idee: Das Teilstück soll nur einspurig mit Ergänzung eines Multifunktionsstreifens werden. Der Multifunktionsstreifen soll je nach Straßenabschnitt eine Abbiegespur oder auch z.B. Grünfläche sein und die Fußwege sollen breiter und eine Radspur eingerichtet werden.

Das Teilstück ist jetzt verkehrlich hoch belastet und der Autoverkehr muss sehr deutlich reduziert werden, damit eine Fahrspur für die Verkehrsabwicklung überhaupt ausreicht. Dies wird nicht einfach durch Verlagerung auf andere Straßen gehen, sondern tatsächlich nur durch Reduzierung des städtischen Autoverkehrs insgesamt.

Die Grünen hatten für den Planungsausschuss im Februar 2020 einen Antrag eingebracht, der die Verwaltung mit einer konkreten Umsetzungsplanung beauftragen sollte. Unser Antrag wurde dann in der Sitzung durch SPD und CDU ohne Diskussion und Argumente abgelehnt. 

 

Attraktivität des ÖPNV steigern

Der Herner Nahverkehrsplan ist vor einiger Zeit neu erstellt und umgesetzt worden. Die einzelnen Vorschläge waren sicher solide, zeigten aber auch wenig Potential – das ist auch nicht ungewöhnlich für Großstädte. Das Angebot im ÖPNV leidet eigentlich stärker unter der schlechten regionalen Abstimmung, den hohen Preisen, einer mäßigen Infrastruktur (Haltestellen, Bahnhöfe, Verknüpfungen mit anderen Verkehrsträgern). Hier sind eigentlich die größten Reserven für eine gesteigerte Attraktivität.

Als die Stadt Bochum 2019 mit der Umsetzung ihres neuen Nahverkehrsplanes begann, konnte man die Probleme sofort konkret sehen. Die Straßenbahn 306 (eine Linie der BOGESTRA), als Hauptverbindung zwischen Wanne-Eickel und Bochum, sollte nach Vorstellung der Stadt Bochum im 7,5 Minuten-Takt fahren. Die Stadt Herne und SPD und CDU lehnten dies ab und wollen auf Herner Stadtgebiet einen 15-Minuten-Takt. Jetzt soll an der Stadtgrenze eine Weiche gebaut werden, damit jede zweite Straßenbahn an der Stadtgrenze wenden kann.

Unsere Meinung: Keine Investitionen, um den Nahverkehr zu verschlechtern.

Die HCR setzt noch auf neue Dieselfahrzeuge; die Flotte ist modern und wird angesichts der hohen Laufleistung auch schnell erneuert. Aus Sicht der Emissionen ist das so o.k., da neuere Dieselnutzfahrzeuge tatsächlich die Abgasnormen einhalten. Mittelfristig sollte der Umstieg auf Elektrobusse eingeleitet und die Erfahrung aus anderen Städten ausgewertet werden. Ein Umstieg auf Elektrobusse sollte aber zeitgleich mit anderen benachbarten Nahverkehrsunternehmen  erfolgen. So können Einkaufsgemeinschaften erhalten bleiben und Erfahrungen ausgetauscht werden. 

 

Mehr Straßenraum für den Radverkehr

Die bisherige Strategie der Anlage von Radwegen geht an den zukünftigen Bedarfen vorbei bzw. führt zu einer Infrastruktur, die Nutzer eher abschreckt. Wenn der Radverkehr deutlich gesteigert werden soll, muss mehr Straßenraum reserviert werden. Dies kann durch eigene Radstraßen oder Extraspuren (z.B. Protected Bike Lanes) geschehen. Diese besseren Angebote sind notwendig, wenn dem steigenden Anteil der Elektroräder auch im Alltagsverkehr Rechnung getragen werden soll.

Benötigt werden auch Zubringer zum Radschnellweg Ruhr bzw. Anschlüsse an bestehende Zubringer. Erst dadurch wird Herne auch vernünftig in diese neue Qualität der regionalen Radinfrastruktur eingebunden.

Gerade die Elektroräder erfordern auch neue Abstellanlagen im privaten und öffentlichen Raum. Wenn also der Nutzerkreis nicht auf Garagenbesitzer beschränkt bleiben soll, müssen im öffentlichen Raum und auf Wohngrundstücken sichere Abstellplätze mit Stromanschluss errichtet werden.

Im heutigen Modal Split hat der Radverkehr einen Anteil von 10,4%; bundesweit liegt er bei 13%, gute Radstädte schaffen über 30%. Das sollte dann auch das Ziel für Herne sein.

 

Car-Sharing Angebote etablieren

Herne gehört hinsichtlich der Car-Sharing Angebote zu den Schlusslichtern in Deutschland. Grundsätzlich geht es in Herne also um die Etablierung von Anbietern. Das könnte auch das eigene Nahverkehrsunternehmen sein. Dadurch wäre eine bessere Verknüpfung mit den sonstigen ÖPNV-Angeboten realisierbar.

Da ein Car-Sharing-Auto ca. 4 bis 8 PKW ersetzen kann, wenn das Angebot umfangreich ist, ist dieses Angebot auch geeignet, um allgemein Stellplätze reduzieren zu können.

 

Elektromobilität fördern und fordern

Der Masterplan „Klimafreundliche Mobilität“ sieht 1.200 Ladesäulen bis 2030 und immerhin schon 300 bis 2020 im Stadtgebiet vor. Gegenwärtig gibt es keine 20 Ladestationen in der Stadt. Hier wird deutlich, wie sehr die Infrastruktur hinterherhinkt.

Eine schnelle Ladung erhält man nur bei hohen Ladeströmen. Die Ladesäulen und das Stromnetz müssen daher auch für diese Anforderungen ausgelegt werden. Grundsätzlich müssen größere öffentliche Parkplätze umgerüstet werden, also z.B. der Marktplatz in Herne-Mitte.

Im privaten Bereich sind zunächst die Parkhäuser zu nennen, Parkanlagen der Krankenhausbetreiber oder andere der Öffentlichkeit zugänglicher Parkanlagen in privater Hand. Herner Unternehmen benötigen bei der Umstellung auf E-Mobilität sicherlich Unterstützung. Das reicht von der Bereitstellung einer Ladeinfrastruktur – z.B. von den Stadtwerken finanziert und gegen Entgelt nutzbar – bis hin zur Batterieentsorgung. Sofern die Stadtwerke eine stärkere Rolle bei der E-Mobilität in Herne spielen sollen und wollen, könnten sie auch auf diesem Feld Beratungsangebote aufbauen.

 

Fußverkehr attraktiv machen

Völlig vernachlässigt wird bislang die Fußverkehrsförderung. Immerhin werden die meisten Wege bis knapp 1,5 km zu Fuß zurückgelegt. Hier setzen wir auf durchgrünte Wegeverbindungen in der Stadt. Insgesamt muss die Stadt für den Rad- und Fußverkehr durchlässiger werden, also Abbindungen aufheben und direkte Wegeverbindungen ermöglichen. Längere Ampelphasen sollten die Straßenquerung erleichtern. Fußgängerinseln und Zebrastreifen können mehr Sicherheit bei der Querung bieten.