In diesem Jahr jährte sich zum 80. Mal die Reichsprogromnacht. Die Herner Gruenen erinnerten am Freitag , den 09. November, an die Ereignisse von vor 80 Jahren und die Shoah. 30 Menschen wohnten der Kranzniederlegung, der Gedenkrede und Gedenkminute bei.
Die Ereignisse der Nacht vom 9. auf den 10 November 1938 bedeutete für die 315 zu diesem Zeitpunkt in Heren Verbliebenden Jüdinnen und Juden eine weitere Zäsur gegen sie gericheter Herabwürdigungen und Gräultaten.
Gedenktage, wie der 9. November, dienen dazu, dass es uns als Menschen ermöglicht werden soll weiterzuleben, ohne dass Menacholie und Depression das Leben überschatten. Die tiefe Trauer, die unweigerlich jeden erfasst, der sich der Auseinandersetzung mit der Shoa zuwendet verlangt gleichsam ein ritualisiertes Insichkehren, nicht nur um die Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung regelmäßig wach zu halten, sondern auch um sich der Notwendigkeit und der Bereitschaft zu versichern weiterhin alles zu tun das Auschwitz nicht noch einmal sei.
Der 09. November ist ein historischer Tag, doch als bundesrepublikanischer Gedenktag an die Pogrome 1938 ist er eher Kompromiss, vor allem da sich die Entrechtung, Verfolgung und anschließende Vernichtung der europäischen Juden nichtauf ein einzelnes Datum festlegen lässt. Aber der Hass auf Juden und Jüdinnen ist nicht erst mit dem Nationalsozialismus gekommen. Der Antijudaismus ist ein Phänomen, der schon viele Jahrhunderte alt ist und sich bereits in der späten Antike wiederfinden lässt.
Die lange Geschichte der Diffamierung jüdischer Religionszugehörigkeit lässt sich von hier aus über das Mittelalter, über Martin Luther und das Reformationszeitalter, über Kant, Voltaire und die Aufklärer, über Herder, Fichte, Hegel und Brentano bis hinein ins 19. Jahrhundert verfolgen und war stets begleitet von Entrechtungen und der physischen Bedrohung für jüdisches Leben.
Die ersten antisemitischen Ausschreitungen nach der Machtübertragung an Adolf Hitler und die NSDAP waren zumeist dezentrale, spontane Gewaltausbrüche. Nach dem fehlgeschlagenen Boykott-Tag jüdischer Geschäfte am 01. April 1933 begannen die Nationalsozialisten sukzessive ihre vernichtende Ideologie in Gesetzen festzuschreiben. Im Jahr 1938 radikalisierten sich die Maßnahmen gegen die Jüdinnen und Juden zunehmend. Im laufe des Jahres mussten sie ihr Vermögen behördlich bekanntmachen, ihre Gewerbebetriebe sichtbar kennzeichnen und bestimmte Kennkarten mit dem Aufdruck „J“ besitzten. Hinzu kam, dass alle Jüdinnen und Juden die Vornamen Sara, bzw. Israel in ihre Kennkarte eintrage lassen mussten. Bevor es am 9. November zu Progromen in Deutschland kam, gab es im November noch Massenabschiebungen polnischstämmiger Juden und Jüdinnen bei denen 18.000 von ihnen über die polnische Grenze vertrieben wurden.
Die blutige Verfolgung jüdischen Lebens nahm vom 9. November 1938 völlig neue Fromen an und gipfelte schließlich im 1941 einsetzenden systematischen Vernichtungsprozess, der schlussendlich mehr als 6 Millionen Jüdinnen und Juden das Leben kostete. 392 Menschen aus Herne und Wanne-Eickel wurden Opfer der Shoa, das Schicksal unzähliger Mehr wurde von den Ereignissen zwischen 1933 und 1945 für immer verändert.
Und nun stehen wir hier, 80 Jahre danach, die Spanne eines Menschenlebens. Die letzten Zeitzeugen werden in absehbarer Zeit kein Zeugnis über die Ereignisse mehr ablegen können und so müssen wir uns fragen wie wir der historischen Verantwortung, die aus den Verbrechen des Nationalsozialismus erwachsen ist, in Zukunft gerecht werden können.
Der 9. November mahnt uns nicht zu vergessen. Doch er muss uns auch in unserem alltäglichen Tun anleiten. Antisemitismus ist nicht aus der Menschheitsgeschichte getilgt. Ressentiments und Ablehnung lodern, nur von einer dünnen Schicht historischen Verantwortungsgefühls überdeckt, in den Köpfen Zahlloser. Die aktuelle Leipziger Autoritarismusstudie hat erst letzte Woche wieder zutage gefördert wie weit verbreitet Hass auf alles Fremde, wie weit antisemitischer Verschwörungsglaube, wie weit der Wunsch nach einer autoritären Gesellschaftsordnung auch heute noch verbreitet ist. Der rechte Rand der Gesellschaft fordert so laut und frech wie selten nach 1945 einen Schlussstrich unter das Gedenken an den Nationalsozialismus.
Darüber hinaus befindet sich die Schutzmacht des jüdischen Lebens, der Staat Israel in einem permanenten existentiellen Kampf um seine schiere Existenz. Viel zu viele zweifeln am Existensrechts Israles und beträchtliche Teile der Weltöffentlichkeit ergehen sich teilweise in antiisraelischer Rhetorik, mahnen zur Zurückhaltung und reden so denjenigen Wort, deren Antisemitismus sich unter dem Deckmantel der Israelkritik verbirgt.
Es gibt für uns als Stadtgesellschaft also weiter unendlich viel zu tun, der Kampf gegen Antisemitismus in jeder seiner Erscheinungsformen bleibt eine Verpflichtung und eine der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit.
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