Dr. Sommer 2. Juli 20105. März 2020Frau Dr. Renate Sommer hat in der WAZ auf unsere Presseerklärung zur Abstimmung über die Nährwertampel reagiert. Ihre Antwort möchten wir nicht unkommentiert lassen und veröffentlichen daher den offenen Brief von Jörg Höhfeld.Sehr geehrte Frau Dr. Sommer,da muss ich ja wohl einen empfindlichen Nerv getroffen haben. Als ich in der WAZ las, dass Sie mir wegen Ihrer Haltung zur Lebensmittelampel eine unglaubliche Unverschämtheit vorwarfen, mochte ich es erst gar nicht glauben. Denn Kritik an der Meinung politisch Andersdenkender ist in einer Demokratie nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Dass Sie und ich unterschiedliche Meinungen zur Ampelkennzeichnung bei Lebensmitteln haben, ist ja kein Geheimnis. Dass Sie eine führende Rolle beim Kampf gegen die Ampel gespielt haben, ist aus meiner Sicht zutreffend. Sollte ich mich da geirrt haben? Ich glaube nicht, auch in Ihrer Pressemeldung führen Sie noch einmal alle aus Ihrer Sicht guten Gründe gegen die Ampel auf. Als Berichterstatterin im zuständigen Ausschuss haben Sie eine hervorgehobene Position. Insofern ist es sicher nicht falsch zu behaupten, dass sich viele EU-ParlamentarierInnen Ihrer Meinung angeschlossen haben. Im Ausschuss war es eine knappe Mehrheit, im Parlament eine sehr deutliche. Damit haben Sie einen großen Sieg errungen. Deshalb zielte die Kritik der Herner Grünen auch nicht nur auf die Konservativen und Liberalen im EU-Parlament im allgemeinen, sondern auch auf Sie als (politische) Person. Warum diese Kritik unglaublich unverschämt sein sollte, erschloss sich mir nicht.Erst ein Blick auf ihre homepage brachte etwas Klarheit in die Angelegenheit. Dort schreiben Sie, ich hätte Ihnen „ein Einknicken vor den Lebensmittelkonzernen unterstellt“. Woher nehmen Sie diese Behauptung? Sicher nicht aus der Presseerklärung. Ich will es aber auch hier noch einmal ganz deutlich sagen: Seitdem ich Ihre Äußerungen zur Lebensmittelkennzeichnung verfolge (z.B. im EU-Wahlkampf, bei Veranstaltungen der Europa-Union Herne) haben Sie sich immer konsequent gegen die Ampelkennzeichnung ausgesprochen. Von „Einknicken“ kann bei Ihnen wahrlich nicht die Rede sein. Ich habe es Ihnen deshalb auch nie unterstellt. Ob andere EU-ParlamentarierInnen ihre Meinung zwischen Ausschuss- und Plenumabstimmung geändert haben, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls sind die Argumente der Lebensmittelkonzerne im Plenum auf viel breitere Zustimmung gestoßen als im Ausschuss.Das war ja wohl auch das Ziel der Lobbyisten der Lebensmittelindustrie. Dass diese rund eine Milliarde Euro für ihre (erfolgreiche) Kampagne ausgegeben haben, habe nicht ich erfunden, sondern unter Angabe der Quelle (DER SPIEGEL) mitgeteilt. Auch die Verbraucherzentrale wählt auf ihrer homepage die Überschrift: „EU-Parlament lehnt die Einführung der Nährwertampel ab – Lobbyismus setzt sich gegen Verbraucherinteressen durch“. Der Text bezieht sich unter anderem auf die 70 Prozent der Bundesbürger, die sich in Umfragen für die Ampel ausgesprochen haben. Weiter ist dort die Rede von massivem Lobbydruck, der zu der Entscheidung des Parlaments führte und auch die 1 Mrd. Euro werden erwähnt. Unglaublich unverschämt?Da Sie ja einige Institutionen erwähnt haben, die gegen die Ampel sind, will ich hier nur noch einmal die Bündnispartner der Verbraucherzentrale im Kampf für die Ampel aufzählen: Gesetzliche Krankenkassen-Spitzenverband, Allgemeine Ortskrankenkasse, Bundesärztekammer, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, Deutsche Herzstiftung, Deutsche Adipositas-Stiftung, diabetesDE. Auch das habe ich von der homepage der Verbraucherzentrale und mir nicht selbst ausgedachtSehr geehrte Frau Dr. Sommer, ich hoffe meinerseits zur Klärung beigetragen zu haben: Sie sind nicht eingeknickt (was ich auch nie behauptet habe) sondern waren immer gegen die Ampel. Diese Haltung werden die Herner Grünen und auch ich persönlich immer wieder kritisieren. Das Treiben der Lobbyisten in Brüssel werden wir weiterhin beobachten, schließlich zahlen wir als Verbraucher über die Lebensmittelpreise die Millionenbeträge, die für solche Kampagnen ausgegeben werden. Wir müssen den Kakao also auch noch trinken, durch den wir von den Lobbyisten gezogen werden. Ich würde es begrüßen, wenn sie den Ausdruck „unglaubliche Unverschämtheit“ zurücknehmen würden, damit wir beide als stellvertretende Vorsitzende der Europa-Union Herne auch in Zukunft vernünftig zusammen arbeiten können, zum Wohle Europas – bei allen politischen Unterschieden.HochachtungsvollJörg Höhfeld