Haushaltsrede 2011

Nachfolgend finden Sie die Haushaltsrede von Dorothea Schulte, der Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herne.

Sehr geehrte Damen und Herren,

bevor ich mich unserem eigentlichen Thema, dem Haushalt 2011 widme, gestatten Sie mir einen Augenblick des Innehaltens.

Das Erdbeben in Japan, der Tsunami und die atomare Katastrophe in Fukushima haben die Lage auch in Deutschland verändert. Zunächst gilt unser Mitgefühl den Menschen in Japan, dies ist auch in unserer Stadt in Mahnwachen zum Ausdruck gekommen. Darüber hinaus gilt es zu überlegen, was dieser Größte Anzunehmende Unfall, der angeblich nie eintreten sollte, für uns bedeutet. Zwar gibt es im Moment noch keine akute Gefahr für unser Land und unsere Stadt, aber nie war der Slogan „Global denken – lokal handeln“ so aktuell wie heute. Auch Herne ist mindestens an zwei Punkten mit der Atomproblematik verbunden.

 

Zum einen hält die Stadt immer noch Aktien der RWE. Für diese Aktien gibt es nach Meinung der Herner Grünen nur die Alternative: Einfluss nehmen oder verkaufen. Zusammen mit anderen kommunalen Besitzern sollte die Stadt Herne versuchen, RWE von ihrer bisherigen, atomlastigen Geschäftspolitik abzubringen oder die Aktien zu verkaufen. Zum anderen muss für die Herner Stadtwerke die Devise lauten, noch mehr als bisher auf erneuerbare Energien zu setzen. Wir sind da auf einem guten Weg, jetzt gilt es das Tempo des Umstiegs noch zu steigern.

Auch wenn die Welt, vor allem die Welt in den Köpfen, seit Anfang März nicht mehr dieselbe ist, bleiben uns die Mühen des Alltags nicht erspart. Damit komme ich nun zu den Haushaltsproblemen Hernes.

Wir erleben in diesem Jahr ein Jubiläum, auch wenn dies kein Grund zum Feiern ist! 20 Jahre Haushaltssicherung – ohne Erfolg!

Aber in diesem Jahr leiten wir eine neue Ära ein. Bisher bezog sich unsere Haushaltssicherung auf einen Planungszeitraum von drei Jahren. Da dies nicht geklappt hat, planen wir nun in einem Zehnjahreszeitraum. Ob das besser geht?

Ohne eine neue Fundierung der Kommunalfinanzen durch Bund und Land – sprich: mehr Geld für die Kommunen – ist keine durchgreifende Verbesserung zu erwarten, dies wird auch durch das neue Gutachten der Professoren Junkernheinrich und Lenk bestätigt. Sie weisen vor allen Dingen dem Bund eine hohe Verantwortung für die explodierenden Kommunalschulden zu und zeigen eindrucksvoll und unwiderlegbar auf, dass die kommunalen Entschuldungsanstrengungen nur eine sehr begrenzte Wirkung haben.

Auf Landesebene ist positiv festzuhalten, dass die neue rot-grüne Minderheitenregierung sich um eine Entlastung der Kommunen bemüht. Stichworte seien hier:

  • die Übernahme von Einheitslasten
  • die Nothilfe für einzelne Kommunen
  • die Aufstockung des Gemeindefinanzierungsgesetzes und
  • die Verbesserung der Finanzierung im KITA und U3-Bereich.

 

Trotz der geschilderten eher schwierigen Lage und der begrenzten Reichweite eigener Konsolidierungsanstrengungen hält die Grüne Fraktion diese für notwendig. Wir werden uns auch weiterhin maßvollen Sparanstrengungen nicht verschließen.

 

  1. Wir sollten uns bemühen, die Defizite nicht eskalieren zu lassen. Sinnvolle und vertretbare – auch schmerzhafte – Sparmaßnahmen sollten zügig umgesetzt werden.
  2. Unser Vergleichsmaßstab müssen Kommunen mit ähnlichen Finanzdaten und ähnlicher Sozialstruktur sein. Dies sind die Kommunen des Ruhrgebietes und des bergischen Landes. Wir müssen erreichen, dass Herne im Durchschnitt der Kommunen liegt.
  3. Der Verzehr des Eigenkapitals muss möglichst herausgezögert werden.

 

Diesen selbstgesteckten Zielen des „Sparens“ müssen wir aber auch Ziele der Stadtentwicklung gegenüberstellen und auch Forderungen an das Land hinsichtlich der Haushaltsgenehmigung stellen.

Es kann und darf nicht sein, dass Haushaltskonsolidierung zunehmend einziges Betätigungsfeld von Kommunalpolitik und Verwaltung wird und jedes Handeln nur noch unter dem Aspekt der kurzfristigen Finanzierbarkeit ohne Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit der Stadt gesehen wird. Eine Stadt, die nichts mehr unternehmen kann, wird auf Dauer auch nicht mehr lebensfähig sein.

Mit der Einrichtung der Haushaltssicherungskommission und der gründlichen Diskussion der einzelnen Sparmöglichkeiten hat die Herner Politik ihren Part der Ausarbeitung von Konsolidierungsmaßnahmen erfüllt und wird dies sicher auch weiterhin tun. Die Bilanzierung der Ergebnisse zeigt aber auch auf, dass die eigenen Konsolidierungsmöglichkeiten sehr begrenzt sind.

Das Land ist gefordert, nicht einfach die Konsolidierungsauflagen zu lockern, sondern auch Investitionen und die Teilnahme an Förderprogrammen, z. B. aus dem Bereich der Städtebauförderung, zu ermöglichen.

Hier ist das Stadtumbaugebiet Herne Zentrum-Nord zu nennen, das wegen fehlender Eigenmittel nicht realisiert werden kann. Es geht hier um ein Projekt, das sowohl Wohnungsbau als auch die Anlage von Grünflächen beinhaltet.

 

Stadtentwicklung gründet sich aber nicht nur auf öffentlichen Investitionen sondern auch auf Initiierung und Unterstützung von privaten Investitionen. Hierfür sind häufig planungsrechtliche Grundlagen zu schaffen.

 

Einige Projekte konnten wir so ermöglichen:

Mit der Schaffung eines neuen Planungsrechtes für das Gelände am Regenkamp haben wir die Grundlage für den Bau des Möbelhauses Zurbrüggen gelegt. Mit dieser Entscheidung ist es jetzt gelungen, das Gelände nach gut zehnjährigem Stillstand zu vermarkten und einen Teil der Kosten des desaströsen Kinoabenteuers hereinzuholen.

 

Ebenfalls sehr lange zieht sich die Realisierung des Projektes „Stadttorcenter“ in Wanne hin. Wir unterstützen dieses Projekt und hoffen, dass in diesem Jahr endlich gebaut werden wird. Wir erhoffen uns von dem Projekt eine Stärkung der Einkaufsqualität für den Stadtteil Wanne. Als sehr wünschenswertes Nebenprodukt wird der Eingang zur Wanner Innenstadt baulich aufgewertet und Stadtreparatur verwirklicht. Zusammen mit der Neugestaltung des Postparks sowie des Buschmannshofes erhält die Einkaufszone Wanne damit ein neues, attraktives Gesicht.

Noch länger ziehen sich die Planungen für den Schweinemarkt hin. Mit der Entscheidung der Vincenz GmbH zum Neubau einer Klinik auf dem Gelände werden der Gesundheitsstandort Wanne gestärkt und die Arbeitsplätze in diesem Bereich langfristig gesichert und sogar ausgebaut. Aus grüner Sicht war es wichtig, dass die Entscheidung für den Schweinemarkt auch mit einer Zukunftsperspektive für den Altstandort Solbad verbunden wird. Wir begrüßen es, dass die Vincenz GmbH sich auch dieser Forderung gestellt hat und auch den Standort Solbad einer neuen Nutzung zuführen will.

 

Ein Schwerpunkt grüner Politik ist und wird die Bildungspolitik sein.

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung und Teilhabe! Diesen Anspruch dürfen Sie, meine Damen und Herren, nicht mit dem Gesetz der Bundesregierung verwechseln! Dieses unsägliche bürokratische Monster, das nur zum geringen Teil bei den Betroffenen ankommt.

Kinder haben ein Recht auf Bildung! Ziel ist es, jedes Kind in diesem Prozess mitzunehmen. Mit dem Projekt „Bildung vor Ort“ sind wir diesem ein Stück näher gekommen. Schwerpunkt ist dabei die Familienbildung, Ziel verbesserte Schulabschlüsse und damit bessere Teilhabe am Arbeitsmarkt. Erste Erfolge sind bereits sichtbar, aber wir müssen weiter daran arbeiten!

Unser besonderes Augenmerk liegt auf der frühkindlichen Bildung in Tageseinrichtungen. Auch die Implementierung einer Gemeinschaftsschule ist ein Schritt in die richtige Richtung! Längeres gemeinsames Lernen ist eine Möglichkeit Chancengerechtigkeit zu erreichen.

Ein weiteres Thema ist die Inklusion. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Teilhabe. Dies muss in der Gesellschaft ankommen! Inklusion in der Schule wird von der Kommune aktiv unterstützt, gemeinsamer Unterricht wird auch im Sek2-Bereich Normalität werden. Insgesamt haben wir jedoch in Bezug auf Inklusion noch einen langen Weg vor uns.

 

Erfreulich aus grüner Sicht ist, dass es neuen Rückenwind für Herne als fahrradfreundliche Stadt gibt. Da ist zum einen das Projekt Metrorad Ruhr zu nennen, zum anderen werden zwei neue wichtige Fahrradverbindungen erstellt. Die Renaturierung und ökologische Aufwertung des Zulaufs zum Schmiedesbach mit der Anlage eines Fahrradweges wird realisiert. Morgen wird der Planungsausschuss eine Erweiterung der Fahrradwege auf den Erzbahntrassen, hier im Gebiet Friedrich der Große beschließen.

 

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf das Wohnbauflächenprogramm eingehen, das zahlungskräftigen jungen Familien eine Zukunft in Herne ermöglichen soll.

Hierzu eine kleine Geschichte: Bekannte meines Sohnes aus Münster haben sich den Stadtteil Wanne als neuen Lebensmittelpunkt ausgesucht. Sie ist Psychologin im Münsterland, er IT-Fachmann in Düsseldorf. Mit der Bahn sind beide Arbeitsplätze von Wanne aus gut erreichbar. Ihre Fragen an mich waren: welche Wohngebiete sind max. 10 Minuten Fahrradweg vom Bahnhof entfernt? Wie gut ist die Versorgung mit Kindertageseinrichtungen? Wo gibt es in der Nähe Grünflächen und Spielmöglichkeiten?

Herne ist ein attraktiver Wohnort wegen seiner Lage im Ruhrgebiet! Die Menschen suchen jedoch nicht unbedingt ein Grundstück zum Bauen, sondern sie fragen Infrastruktur und Grünflächen nach. Dies deckt sich auch mit der Studie von Professor Blotevogel zur Stadtumlandwanderung. Dies lässt nur einen Schluss zu: Wir brauchen eine gute Infrastruktur für die Kinderbetreuung und Ausbau von Grünflächen!

Dies wird in diesem Jahr Schwerpunkt grüner Politik sein.

Wir fordern ein Grünflächenkataster und ein Vernetzung der Grünflächen!

Wir fordern einen weiteren Ausbau der Bildungsmöglichkeiten von der Geburt bis zum Berufseintritt!

Ich bedanke mich im Namen der Grünen Fraktion bei Herrn Bornfelder und beim Fachbereich Finanzen für das erstellte Haushaltssicherungskonzept! Und ich bin sicher, dass es die Zustimmung der Bezirksregierung finden wird!